In Düren zu Hause
Bei dem Wort Migration denkt man oftmals an eine Ausnahme, an etwas, das von der „Norm“ abweicht. Wie die Vertreibungen nach dem Zweiten Weltkrieg, als Millionen Menschen ihre Heimat verlassen mussten. Was ist aber, wenn Migration eigentlich etwas ist, das ständig, durch alle Zeiten, überall stattfindet? Nicht nur ausnahmsweise und nicht erst seit der Industrialisierung sind Menschen in Bewegung, sie verlassen ihre Heimat und lassen sich an einem anderen Ort nieder. Auch die Dürener Stadtgesellschaft lebt seit Jahrhunderten von diesen Veränderungen. Von den großen, die weltweit Auswirkungen haben, wie die Flüchtlingsbewegung 2015, oder den kleinen, mit lokaler Auswirkung, wie dem Bau der Dürener Kreisbahn Anfang des 20. Jahrhunderts.
In Düren leben heute Menschen aus mehr als 140 Nationen Tür an Tür und gestalten die Stadtgesellschaft mit. Durch ihr Wirken in Sport- und Kulturvereinen, in der Gastronomie, innerhalb religiöser Gemeinschaften oder einfach durch persönliche Kontakte und Beziehungen. Sie sind nicht alle zur gleichen Zeit in die Stadt an der Rur gekommen, die Gründe sind ebenso vielfältig wie die Herkunftsländer.
Viele der Kinder und sogar Enkelkinder all dieser Menschen, die in Düren geboren wurden, stellen sich häufig noch immer die Frage, wieviel Zeit eigentlich vergehen muss, bis sie tatsächlich als Teil der Gesellschaft gelten. Was heißt das aber, Teil einer Gesellschaft zu sein und als solcher anerkannt zu werden? Und wie lange wird es noch dauern, bis die Mehrheit erkennt und verinnerlicht, dass Migration die Regel ist und nicht die Ausnahme? Sie findet ständig statt und prägt unsere Gesellschaft aktiv. Sie birgt Chancen und Risiken. Und das Düren, wie wir es heute kennen, würde ohne Migration nicht existieren.
Das neue Kreisjahrbuch ist da
Im Reigen der Erinnerungsjahre fehlt eines, das eigentlich einen herausragenden Platz einnehmen müsste: 1923 bot mit der Ruhrbesetzung, dem passiven Widerstand, der galoppierenden Inflation, dem Separatistenspuk, dem Hitler-Putsch und der schließlichen Stabilisierung der deutschen Währung – das alles vor dem Hintergrund der Besatzung durch die Franzosen – Ereignisse, die eine solche Wucht entfalteten, wie wir sie uns heute kaum noch vorstellen können. Die sich gerade erst bildende junge Demokratie wurde durch sie mehr als einmal aufs Äußerste gefährdet, ganz zu schweigen von den existenziellen Nöten, die die Bevölkerung mit Geldentwertung, Arbeitslosigkeit, Lebensmittel- und Kohlennot ertragen musste. Wenn wir zur aktuellen Situation gewisse Parallelen sehen, dann sollten wir uns bewusst machen, wie wertvoll unser heutiger Sozialstaat ist.
Neben den Beiträgen zu diesem Schwerpunktthema bietet dieses Jahrbuch weitere interessante Lektüre. So erinnert Beate Fähnrich an die Reisen ihres Großvaters, Matrose auf kaiserlichen Schiffen, in die exotischen Winkel unserer Erde. Achim Jaeger zeichnet ein ausführliches Porträt des Historikers Albert Lennarz, den Dürenern bestens bekannt durch seine Mitarbeit an der ersten Zeittafel zur Geschichte Dürens von 1948. Und wie geschichtsträchtig das Dürener Land ist, zeigt der Bericht über die Ausgrabungen unter der ehemaligen Kirche St. Nikolaus in Düren-Rölsdorf.
Neuerscheinung
Gelegen an der Valencienner Straße, der alten Landstraße nach Aachen, bezeichnet sich das "Breuers Häuschen" als Dürens ältestes Gasthaus. Eines der originellsten ist es ohne Zweifel – altes Fachwerk, ein bisschen krumm und schief, innen mit teilweise bedrohlicher Deckenhöhe, aber ungemein gemütlich und mit einer Atmosphäre, die aus echter Historie resultiert und nicht durch künstliche Deko hergestellt werden muss.
Das Buch erzählt von diesem denkwürdigen Haus und seinen Besitzern, Pächtern, Gästen, den Festen, die dort gefeiert wurden, den Geschichten, Mythen und Legenden, die sich darum ranken, und, nicht zuletzt, von alten und neuen Gerichten, die dort serviert wurden und werden.
Gestaltet hat das Buch eine Redaktion aus Zeitzeugen, Orts- und Geschichtskundigen, Sachkundigen und Familienmitgliedern der Engelmanns. Viele Informationen, Bilder, Geschichten und Andenken an das Breuers Häuschen wurden von Gästen geschickt oder vorbeigebracht.
So gilt der Dank der Herausgeber all den vielen Helfern, die so engagiert zum Gelingen des Vorhabens beigetragen haben. Das Buch „Breuers Häuschen“ wird 222 Jahre darf ohne Übertreibung als ein gelungenes Dokument der Heimat- und Geschichtsverbundenheit in Düren und Gürzenich bezeichnet werden.
Ein Verein schreibt Fußballgeschichte
Achim Großmann widmet sich in seinem neuesten Werk zur Würselener Heimatgeschichte dem Fußball.
Akribisch recherchiert und gewohnt unterhaltsam nimmt er den Leser mit in die große Zeit von Rhenania Würselen. Er spannt den Bogen von der Gründung des Vereins 1905 über seine Rolle als Fußball-Pionier im Landkreis Aachen bis hin zu seiner legendären Zeit, in der Rhenania drei Mal den Aufstieg in die jeweils höchste westdeutsche Fußball-Liga schaffte, zuletzt 1948 in die Oberliga-West.
Routiniert und historisch bewandert, bindet der Autor die Vereinsgeschichte ein in politische und gesellschaftliche Ereignisse, veranschaulicht durch viele überraschende Begebenheiten und belegt mit zahlreichen Bildern und Dokumenten. Eine Vielzahl von lokalen und regionalen Vereinen taucht auf, natürlich Alemannia Aachen, aber auch die Lokalrivalen aus Würselen und den Nachbarorten Aachen, Alsdorf, Baesweiler, Eschweiler, Herzogenrath und Stolberg sowie viele nieder- und mittelrheinische Vereine aus dem Raum Jülich, Düren, Mönchengladbach, Köln, Bonn etc.
Rhenania Würselen und seine Rolle bei der Entwicklung von Schiedsrichter- und Verbandsstrukturen oder die Auswirkungen von belgischer Besatzung und Ruhrkampf auf seine fußballerischen Aktivitäten werden ebenso geschildert wie die Bedeutung seiner fußballerischen Erfolge für die Stadt, die bei großen Spielen auf dem Lindenplatz zuweilen mehr Zuschauer als Einwohner verzeichnete, verkaufsoffene Sonntage zuließ oder besondere Verkehrsregeln einführte.
Der Leser erfährt von großen Namen, die in Würselen oder auf dem legendären Lindenplatz zu sehen waren wie Hennes Weisweiler, Dr. Peco Bauwens (späterer DFB-Präsident), Sportreporter Kurt Brumme oder die beiden späteren Bundestrainer Sepp Herberger und Jupp Derwall. Doch nicht nur große Namen spielen eine Rolle. Ein Personenregister mit ca. 650 Namen ist eine Fundgrube für Familienforscher und Fußballkundige.
Ein verzauberter Ort
Der 1825 eingerichtete evangelische Friedhof an der Kölnstraße in Düren ist ein faszinierender Ort, der die Geschichte der Stadt Düren und den Wandel der Begräbniskultur lebendig werden lässt. Zahlreiche Mitglieder der Dürener protestantischen Familien haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden.
Die Dürener Denkmalpflegerin Heike Kussinger-Stanković hat jetzt im Auftrag des Fördervereins für den evangelischen Friedhof ein umfassendes Buch zur Geschichte dieses einmaligen Ortes erstellt und mit Hilfe weiterer Autoren biographische Daten zu allen hier bestatteten Personen zusammengetragen.
Das Werk ist mit vielen historischen und aktuellen Fotos reich illustriert und mit einem festen Einband versehen.
50 Jahre Kommunale Neugliederung
Vor 50 Jahren ist unser Bundesland Nordrhein-Westfalen mächtig durcheinandergewirbelt worden. Die Kommunale Neugliederung hat viele kleine Gemeinden zu größeren Einheiten zusammengefasst, ebenso erging es einer Reihe von Landkreisen. Auch in der Düren-Jülicher Region haben sich die Strukturen verändert – manch einer zweifelt, ob es zum Besseren war. Darüber berichten wir in unserem Schwerpunktthema anhand einiger Beispiele und zeigen auch auf, dass diese Veränderungen eine längere Vorgeschichte haben.
Spannend sind auch die übrigen Beiträge in diesem Heft. Bernd Hahne erinnert an die frühen Planungen für den Bau einer Autobahn Köln-Düren-Aachen ebenso wie an die Vorstellungen, Nordrhein-Westfalens kleinste Stadt Heimbach zu einer NS-Musterstadt zu machen. Achim Jaeger widmet einen ausführlichen biographischen Beitrag dem in der Gemeinde Hürtgenwald geborenen Geistlichen und Volksvertreter Johann Wilhelm Joseph Braun.
Ein interessantes Interview mit einem der frühen „Gastarbeiter“ in Düren, eine Würdigung des Malers Herb Schiffer zu seinem 85. Geburtstag, Ergebnisse der Ausgrabungen in der Dürener Innenstadt – das sind nur einige der sonstigen Themen dieses Jahrbuchs.